Action mit siebenfacher Erdbeschleunigung


Ein unheimlicher Druck ist auf den Augäpfeln zu spüren. Der Wind kreischt draußen vorbei. Mit Geschwindigkeiten von 180 Stundenkilometern leitet Michael Zistler seine Figuren ein. Auf einmal Stille. Der Druck ist weg, beinahe schwerelos scheint das ganze Flugzeug im Raum zu hängen, die Spitze zeigt nach oben. Dann ganz langsam kippt die Schnauze nach vorne und der "Fox" beginnt zu fallen. Immer schneller und schneller, bis die nächste Kurve sie wieder nach oben zieht.

Auf dem Rücken einen Fallschirm für den Notfall, geht es über den linken Flügel auf den hinteren Sitz des "Fox". Die beiden Schultergurten werden festgezurrt, die Beine angeschnallt und die Füße stecken fest in zwei Schlaufen. "Alles klar?", fragt Michael Zistler, der heute auf dem Wildberger Wächtersberg als Ehrengast die Jugendlichen ins Kunstfliegen einweiht. Der Nagolder selbst ist seit 1986 Kunstfluglehrer und hat schon über 6 000 Starts hinter sich. "Negativflüge sind die Hölle", klingen mir noch die Worte von Oswald Dengler im Ohr. Negativ, das heißt den Looping mit der Schnauze nach unten beginnen. Und dann geht es los. Mit dem Schlepperflugzeug auf eine Höhe von 900 Metern werden wir gezogen und dann ausgeklinkt.

Das Blut schießt in den Kopf

Die Städte Nagold, Herrenberg und Wildberg erscheinen als Ansammlung kleiner Spielzeughäuschen unter dem strahlend blauen Himmel. Jetzt am Nachmittag macht sich bereits die Thermik bemerkbar und das Flugzeug schaukelt ein wenig hin und her. Looping, Überschlagskehre, gerissene Rolle, Männchen oder Turn heißen die verschiedenen Figuren. Bei bis zu neunfacher Erdbeschleunigung schießt einem das Blut in den Kopf - und dann wieder heraus. Mehr halten die Gurte nicht aus. Auf 300 Stundenkilometer ist der Zweisitzer von Michael Zistler zugelassen. "Die Landung ist fast schlimmer als die ganzen Loopings", ruft der dreifache Familienvater von vorne. Aber es wird nur ein wenig holprig und kurze Zeit später habe ich wieder festen Boden unter den Füßen.

 

Mit wackeligen Knien steige ich aus - am Ende bleibt doch ein mulmiges Gefühl im Bauch. Der ständige Wechsel zwischen den enormen Fliehkräften, dem Kreischen des Windes und absoluter Stille, ist das Besondere am Segelkunstflug. "Das ist wie eine weiterentwickelte Achterbahn im dreidimensionalen Raum", beschreibt Michael Zistler sein Hobby. Das stimmt. Mal wird man im Sturzflug in den Sitz gedrückt, dann von der Schwerkraft beim Überkopfflug nach unten gezogen. "Hammergeil", ist der erste Kommentar von Peter Kullen aus Wildberg. "Ich hab gedacht mir wird schlecht, aber das war gar nicht so. Erst wird es leise, dann wieder laut und dann schlägt es einen rum", beschreibt er seinen ersten Kunstflug. Am liebsten wäre er gleich sitzen geblieben - wenn er das Geld hätte. Der angehende Koch macht nächstes Jahr seinen Segelschein.

Manuel Dürr aus Wildberg hat dagegen mit den enormen Kräften schon größere Erfahrungen. Der Wildberger ist bereits stolzer Besitzer eines Kunstflugscheines. So durfte er im Zweisitzer mit Michael Zistler auch mal ans "Lenkrad". Thomas Bräuchle vom Mosbacher Flugsportverein, der zusammen mit Nikolas Söhner heute erst angekommen ist, findet "was man hier alles so machen kann ist affengeil".