Mentales Notfalltraining

Übungsstunde beim morgendlichen Briefing / Notabsprung wird gedanklich aufgearbeitet

Notsituationen lösen bei den Piloten situationsbedingt mehr oder weniger Stress aus. Je nach Art der Notlage können „katastrophierende Gedanken“ zu Panik führen und im schlimmsten Fall Blockaden bis zur völligen Handlungsunfähigkeit zur Folge haben. In solchen außergewöhnlichen Belastungs-Situationen können nur diejenigen Handlungen und Bewegungsabläufe sicher und präzise ausgeführt werden, die vorher gedanklich immer und immer wieder geübt worden sind.

Ein eventueller Not-absprung mit dem Rettungsfallschirm ge-hört zweifellos zu den gravierendsten Stress-Situationen im Segel-flugsport. Aber wenn dieser unter bestimmten Umständen unvermeid-lich sein sollte (Struktur-versagen, Zusammen-stoß in der Luft, schwere Probleme mit der Steu-erung, Verlust der Kon-trolle über das Flugzeug etc.) dann geht es um Sekunden! Richtiges und ent-schlossenes Handeln kann hier ausschlag-gebend sein und über Leben und Tod entscheiden!

Einige Segelfliegern aus unserem Verein haben aus diesem Grund bereits einen „richtigen“ Fallschirmabsprung unternommen, um im Fall der Fälle nicht ganz unvorbereitet zu sein. Aber einmal ist keinmal und so hat eine kleine Gruppe beim morgendlichen Briefing die folgerichtigen Handlungsabläufe für einen Notausstieg geübt. Aus dem Internet hat Fluglehrer Michael Zistler einige Ausarbeitungen dazu studiert und zunächst in der Theorie die darin gegebenen Empfehlungen zur Diskussion gestellt: „Haube weg – Gurte lösen – Flugzeug verlassen – Schirm öffnen!“ ist die korrekte Reihenfolge.

Daß dies unter Umständen gar nicht so einfach ist, haben dann zwei Probanden am eigenen Leib erleben dürfen. Am vereinseigenen Schulungsdoppelsitzer ASK 13 wurde die Haube entfernt und der Notfall simuliert: Flugschüler Stefan Zistler benötigte anfangs alleine 8 Sekunden, um das Gurtschloß zu öffnen, bei jedem Versuch allerdings etwas weniger! Horst Ehni hat bereits aus den Fehlern seines Vorgängers gelernt und bewältigte das Verlassen des Seglers in nur 5 Sekunden.

Bereits im Startcheck soll künftig den Empfehlungen der Fachleute Rechnung getragen werden. Der Punkt „Haube verriegelt“ wird um den Satz „Haubennotabwurf bekannt“ erweitert, wobei – ganz wichtig - die Handbewegungen für das flugzeugspezifische Abwerfen der Haube imitiert wird. Auch die Erklärungen für unsere Fluggäste, denen wir obligatorisch einen Fallschirm umschnallen, sollen künftig etwas ernsthafter vorgenommen werden. Aber auch beim „normalen“ Aussteigen kann man sich zusätzlich ab und zu mental mit dem Ernstfall beschäftigen: Was wäre, wenn....

„Mentales Training ist gedankliches Probehandeln“ schildert Reiner Rose in seinen MST-Seminaren! Und vor allem bei den kognitiven Sportarten wie dem Segelfliegen und in extremen Belastungssituationen können hier hervorragende – in der Flugsicherheit unter Umständen sogar lebensrettende – Verbesserungen erzielt werden. Die immer wiederholten gedanklichen Übungen hinterlassen quasi „Spuren im Unterbewusstsein“ auf die dann im Ernstfall zurückgegriffen werden kann, ohne lange nachdenken zu müssen.

Wichtig war der Gruppe aber zunächst, dass man sich diese Notfallsituationen erst mal wieder bewusst gemacht und über die Einzelheiten nachtgedacht hat. Diskussionen, ob nun beide Knöpfe nach hinten gezogen werden müssen gehören der Vergangenheit an und die Notwendigkeit eines perfekt sitzenden Gurtzeuges wird nicht mehr als unangenehm empfunden. Insgesamt war die kleine halbstündige Übung ein kleiner Betrag zur Flugsicherheit für einen Fall, der hoffentlich für keinen unserer Mitglieder eintreten wird. 

FSV Nagold e.V.

Michael Zistler

Bilder (fotografiert von Wolfgang Merkle)