Der Rattel ist dem Airbus überlegen

Mit der IX auf Geschäftsreise an die Nordsee / Landung auf der Insel Föhr

Nicht nur in Puncto Zeitvorteil hat unser vereinseigener Motorsegler auf seiner jüngsten Reise seine Trümpfe ausgespielt: Auch bezüglich der Kosten und der Bequemlichkeit war er für mich gegenüber dem Linienflugzeug und der Bahn das Verkehrsmittel der ersten Wahl. Ganz zu schweigen von den herrlichen Eindrücken während des Fluges einmal längs durch die Republik bei herrlichem Flugwetter.

Start bei sunrise

Früh aufstehen war auf jeden Fall angesagt, denn um 13 Uhr hatte ich den ersten Geschäftstermin im nordfriesischen Husum. Als Reisemöglichkeit ist das Auto von vornherein ausgeschieden, es ist – mit 0,30 Euro/km einfach zu teuer für unsere Auftraggeber und die 1.100 km wären unter 10 Stunden nicht zu bewältigen gewesen. Die Bahn wäre in Stuttgart schon um ca. 04:00 Uhr losgedüst und hätte mich mit einmal Umsteigen in Hamburg auch gegen 12:30 in Husum abgeliefert. Sagenhaft günstig waren entgegen meiner bisherigen Erfahrung auch die Kosten für diese Bahnreise mit 120 Euro incl. ICE-Nutzung. Auch für den Abreisetag am Mittwoch hätte es eine gute Bahnverbindung gegeben, aber wer will als Privatpilot gerne auf festgelegten Schienen reisen? 

Das Wetter beobachtete ich deshalb schon einige Tage lang: Immer klarer zeichnete sich im meteorologischen Selbstbriefing ab, dass der Trip auch mit unserem Motorsegler in Angriff genommen werden konnte. Ein Anruf beim Wetterfrosch am Sonntagabend bestätigte meine Einschätzungen und der Entschluss stand fest: Diese Gelegenheit wird beim Schopfe gepackt! Die Flugplanung habe ich recht schnell mit FL95 gemacht, als Zwischenstopp habe ich mir den Flugplatz in Kassel-Calden ausgewählt. Auf den Karten war schnell die Kurslinie eingezeichnet und auf dem Flugdurchführungsplan die FIS- und ATIS-Frequenzen notiert. Die NOTAM’s und das VFR-Bulletin habe ich tags zuvor auf der aero in Friedrichshafen ausdrucken lassen. Ein genialer Dienst der DFS im Internet, der hoffentlich bald öffentlich frei geschaltet wird. Von Peter Schuon habe ich mir am Sonntag noch schnell seine beiden Schwimmwesten geben lassen, zu sehr hat sich bei mir der Wunsch nach einer Landung auf Helgoland im Kopf eingenistet.

Ein Eintrag zur Mitfluggelegenheit in Forum ergab leider keine Resonanz, war wohl doch zu kurzfristig für unsere Rentner. Also bin ich am Montag früh bei sunrise alleine Richtung Norden aufgebrochen. Die Route führte mich über Babenhausen, wo gerade ein Kunstfluglehrgang stattfindet und unser Salzmann fleißig am Schleppen ist. Zu der frühen Zeit war auch noch niemand auf der FIS-Frequenz, sodass ich einen kurzen Abstecher leicht hätte unternehmen können. Aber die Jungs sind um halb acht wohl noch selig in den Federn gelegen. Direkt über meine alte Heimat Ziegenhain ging es weiter über die Kontrollzone in Fritzlar nach Kassel. Die An- und Abflüge dort habe ich – als praktisches Training für mein BZF I – in englisch gemacht und kann feststellen, dass es in der Praxis viel einfacher ist als im Herrenberger Übungsraum: Keine Grasmäharbeiten auf der Bahn und auch keine wegen Pfützen nicht benutzbaren Rollwege oder plötzliche Gewitter.

Nachfüllen musste ich für eine Flugzeit von 02:02 Stunden 35 Liter, geflogen bin ich mit Prop. 1.750 und Ladedruck 24, was eine Drehzahl von ca. 4.100 U/min und eine IAS von ca. 160 km/h ergab. Nach Begleichung meiner Schulden – nur 5 Euro Landegebühr! – ging es nach einer halben Stunde weiter Richtung Norden. Die Lufträume um Frankfurt, Bremen, Hannover und Hamburg machten keine Probleme, die Führung durch FIS war ruhig und einfach.

Das erste größere Wasser bekam ich südlich St. Michaelisdorn zu sehen: Dort ist die Elbmündung und die großen Pötte nehmen hier ihren Weg von der Nordsee in den Hamburger Hafen. Nach insgesamt 04:20 h Flugzeit bin ich in Husum gelandet. Vorher gab es durch die vielen Windkraft-Parks noch kurze Verwirrung: Schon mit GPS-Unterstützung 5 Minuten vor dem Platz gemeldet, traute ich einmal der Karte und meinem Gefühl anstatt dem GPS. Mit dem Ergebnis, dass der Platz (es ist ein ehemaliger Militärplatz und wirklich nicht zu übersehen – wo ganz anders war, als da, wo ich ihn vermutete. Der Türmer hat mir dann einfach mitgeteilt, ich solle ihn auf der anderen Seite des Windmühlenparks suchen...

Taxi wurde gleich bestellt, kurz im Hotel eingecheckt und zum Referat in die Stadtmitte. Dort habe ich mich baldmöglichst wieder aus dem Staub gemacht und stand um 17.15 bereits wieder abflugbereit am Rollhalt! Die Gelegenheit zu einem Ausflug über die Nordseeküste und das Wattenmeer wollte ich mir nicht entgehen lassen. Nach Nordwesten flog ich zur Insel Sylt, wollte aber wegen der Kohle nicht in Westerland landen. Der Türmer in Husum hat mir dafür lieber Wyk auf der Insel Föhr empfohlen. Sagenhaft schön und für mich beeindruckend war das abendliche Licht auf dem Wasser auf der einen Seite, aber auch diese Natur insgesamt. Es müsste einfach herrlich sein, auf so einer kleinen Hallig mal 14 Tage den Herrgott einen guten Mann sein lassen, ohne Internet, Mails und Handy! Mal sehen, vielleicht erholt sich Charly doch mal von seiner Fußverletzung...

Abends kurz nach sieben bin ich wieder in Husum gelandet und unser Rattel konnte in einer Halle untergestellt werden. Leider hatte ich am Dienstag weniger früh Feierabend, auch war die Flugsicht nicht mehr so einladend. Helgoland musste ich für dieses Mal deshalb leider canceln, dort ist schon um 18:00 Uhr Schicht im Schacht. Aber man muss sich ja auch noch ein paar Träume offen lassen!

Der Rückflug am Mittwoch Nachmittag war wieder völlig problemlos unter hervorragenden Bedingungen. Und diesmal habe ich nicht nur in Ziegenhain einen Segelflieger getroffen, sondern in Babenhausen auch eine kleine Formation mit dem Wilhelm in seiner Piper gebildet, der gerade eine wunderschöne Lo 100 am Haken hatte. Durch einen auffrischenden Südostwind habe ich für den Rückweg etwas länger gebraucht. Peter’s Vorschlag für einen Durchflussmesser auch im Rattel würde ich gerne unterstützen! Gerade bei Flügen an der Reichweitengrenze wäre das zu der zitternden und wackelnden Tankanzeige eine prima Redundanz.

Insgesamt war ich auf der Reise knapp 10 Stunden in der Luft und habe viele bekannte Plätze und Ecken wieder gesehen. Ein besonders Augemerk habe ich auf die norddeutschen Mittelgebirge geworfen: Dort wird in der Winterjahreszeit auch ordentlich Welle geflogen und wenn man sich die Gegend mal genauer ansieht, ist unschwer vorzustellen, dass sich da bei gutem SW-Wind etwas bewegt.

Auf längeren Strecken sind Rattel oder UL eine prima Alternative. Und zu den zeitlichen Vorteilen kommt ja einfach noch das hinzu, was uns Privatpiloten doch immer antreibt: Der Genuß am Fliegen!

Michael Zistler

Hier noch einige Bilder:

Wattenmeer

 

Wyk

Halligen

Leuchtturm auf Hallig

Flugplatz Husum

Kanal

Tanken Kassel

Der Ring, Ziegenhain

Babenhausen

 HN-Anflug