Nicht
nur zahlenmässig waren die Kunstflugpiloten unseres Vereins mit vier
Mannschaften auf dem diesjährigen Doppelsitzerwettbewerb in Blumberg gut
vertreten: Mit zwei Treppchenplätzchen in der Meister- und
Aufsteigerklasse machten Sie auch sportlich eine gute Figur und gaben
für unseren Verein erneut eine gute überregionale Visitenkarte ab. Kurz:
Quantitativ und Qualitativ waren die Nagolder kaum zu schlagen!
Grund zum Strahlen hatte vor allem
Jochen Wehrstein auf seinem Doppelsitzer-Wettbewerbs-Debüt: Mit einer
beachtlichen Konstanz und blitzsauberen Leistungen in allen drei
Durchgängen –sogar ein Tagessieg war dabei - landete er am Ende verdient
und mit großem Vorsprung vor den Nachplatzierten auf dem zweiten Platz,
herzlichen Glückwunsch! Norbert Niethammer (Pu) zeigte der Konkurrenz
vor allem am Anfang seine Zähne und wurde für seinen hervorragenden Flug
mit der Aufstockung in die Vollacro-Klasse für die weiteren Durchgänge
„belohnt“. Horst Ehni wagte ebenfalls den Sprung ins kalte
Doppelsitzerwasser und kam von Flug zu Flug besser in Tritt. Wegen eines
Konzentrationsfehlers in der letzten Runde stand er sich für ein noch
besseres Abschneiden lediglich selbst im Weg. Für die vergessene
Stabilisierung einer Linie hätte er sich selbst gerne in den Arsch
gebissen!
Durchweg gute Stimmung und Optimismus herrschte im
erfreulich großen Team unseres Vereins. Der Trainingstand war zwar
„suboptimal“, lediglich wenige Starts konnten von den meisten Jungs auf
unserer ASK 21 absolviert werden. Diese wurde nach dem letzten Training
am Freitag abend in vollkommender Dunkelheit abgerüstet, von Jochen
musste eine abgelöste Haubenverriegelung noch vor Ort repariert werden.
Hätten wir gewusst, wie uns unser eigener Flieger noch in die Suppe
spucken kann, hätten wir vielleicht die nächtliche Aktion abgeblasen,
später mehr dazu. Am frühen Samstag morgen zogen die Nagolder
Mannschaften in herrlich aufgehender Sonne im von Horst gestellten
Mannschafts-Van aus, um die Aufgaben im badischen Blumberg anzugehen.
Dort angekommen, wartete Jochen bereits mit den Reparaturmaterialien,
der Flieger konnte rechtzeitig aufgebaut werden und an den Start gehen.
Geflogen wurden wie geplant drei
Durchgänge, nach der ersten Runde wurde das wie gewohnt Feld in Halb-
und Vollacro aufgeteilt. Pu und Michael behaupteten sich bei den
Geübteren, Jochen und Horst tankten Selbstvertrauen und sammelten
Erfahrungen durch ihre Flüge bei den Aufsteigern. Diese Einteilung war
dem Können unserer Helden entsprechend, die Flüge führten jeden bis an
die Grenze seiner Fähigkeiten. Wichtig auch zu wissen, dass trotz hoher
Anforderungen in Bezug auf die Flugsicherheit alles im „grünen Bereich“
war: Zu Misslingen drohende Figuren wurden von unseren Himmelsturnern
rechtzeitig als „Verrecker“ taxiert und korrekt abgebrochen! Wertvoll
sind diese Erkenntnisse für die weitere Karriere unserer Sportler
allemal, ärgerlich aber immer wieder, dass diese Erfahrungen nicht im
Training, sondern meistens im Wettbewerb gesammelt werden müssen. Obwohl
von Horst der angekündigte Arschbiss schon nach kurzer Zeit in die
Aussage abgeschwächt wurde: „Das nächste Mal wird mehr trainiert!“
Wie unsere Piloten den Wettbewerb erlebt
und gemeistert haben, soll in einer Einzelbetrachtung geschildert
werden:
Nagold 4 (Jochen Wehrstein / Horst
Ehni)
Wie gesagt: Blitzsaubere Leistung ohne
Wackler und Schnackler! Aus seinen bisherigen Erfahrungen konnte Jochen
die Lehren ziehen und scheint nun besser zu wissen worauf es bei ihm
ankommt. Hauptsächlich ist ihm eine bessere mentale Vorbereitung der
Flüge gelungen, wodurch er seine fliegerischen Fähigkeiten besser
umsetzen konnte. Im ersten Programm war bei dem gefürchteten Rückenkreis
– schon oft hat Jochen hierbei durch Navigationsprobleme Besuch vom
Programmvogel erhalten - die Sonne sein bester Freund und Helfer.
Gebetsmühlenhaft hat er sich eingetrichtert, dass er mit Querruder
RECHTS kreisen wird, dabei die Sonne solange überdrehen wird bis auf der
LINKEN Seite irgendwann der Flugplatz wieder auftaucht. Gesagt, getan,
geklappt!
Mit diesem guten Flug war leicht
Selbstvertrauen zu bauen. Bis in den großen Zeh tat dieses frühe
Erfolgserlebnis gut und machte Mut für die weiteren Aufgaben und
Programme. Auch im zweiten Durchgang wurde dasselbe Programm geflogen,
Jochen ist sogar noch eine leichte Steigerung gelungen: 2.053 Punkte
erreichte er gegenüber 1.974 im ersten Versuch. Damit musste er sich
lediglich der sympatischen Mannschaft „Mosbach 1“ geschlagen geben, die
für diese Klasse schier unerreichbar war.
Aber eben nur schier! Im letzten
Programm wuchs Jochen förmlich über sich hinaus und zeigte auch den
Mosbachern, was eine Nagolder Harke ist: Er konnte als einziger über
2.000 Punkte erreichen und war damit klar TAGESSIEGER! Dabei sind die
Anforderungen der Figuren alles andere als einfach gewesen: Als
Anfangsfigur musste ein Looping in der Senkrechten nach unten begonnen
und auf einer 30 Grad Linie nach unten abgefangen werden. Eine zunächst
einfache Figur, jedoch eine schwierige Navigationsaufgabe, wie sich für
den Copiloten und Ansager Horst bei seinem Flug herausstellen sollte.
Dann kam eine Vierzeitenrolle, die mit unserer deutlich langsamer
rollenden ASK nicht einfach in der Richtung zu halten ist. Als Gag wurde
eine Rollenkombination gefordert, wonach nach einer Viertelrolle die
Rollrichtung geändert werden muss und mit einer Dreiviertelrolle bis in
Rückenlage gerollt werden muss! Wohl dem, der dabei den Überblick nicht
verliert und das Ding durchsteuern kann, Jochen ist es hervorragend
gelungen, Kompliment! Freuen wird sich Jochen auch über die beste Note -
eine 8,0 – die er ausgerechnet auf einen Turn gekriegt hat. Die Zeit der
Vorspannprobleme, die beinahe in einer Turn-Phobie geendet hätten,
scheinen Gott sei Dank vorbei zu sein!
Nagold 2 (Horst Ehni / Stefan
Zistler)
Allemal besser ist es, sich durch
Training auf einen Wettbewerb vorzubereiten, als sich nachher in den
Arsch beißen zu müssen! Und wenn man Horst glauben darf, wird er im
nächsten Jahr bestimmt die rote Laterne an jemanden anderen abgeben;
sein kunstfliegerisches Talent steht ihm dabei weniger im Weg als die
Erfahrung, Selbstsicherheit und vor allem die Konzentrationsfähigkeit im
Bereich zwischen den beiden Ohren! Aber auch in diesem Bereich gilt
einfach, dass von nix auch nix kommen kann.
Alle Programme waren für den
Trainingsstand von Horst an dessen momentanen Leistungsgrenze. Umso
erstaunlicher war seine Leistung zu Beginn im ersten Versuch! Das
silberne Leistungsabzeichen ist bei Gott kein Pille-Palle-Programm für
blutige Anfänger, sondern stellt einige knifflige Anforderungen, die
erst durchdacht und dann gemeistert werden wollen. Seinen Meister fand
Horst im geforderten 180 Grad Rückenkreis. Diesen ist er so noch nie
vorher geflogen und hat schlicht und einfach einen handwerklichen
Steuerungsfehler gemacht, in dem er zu wenig gedrückt hat. Sein Flieger
quittierte diesen Fehler mit immer mehr Querlage, lauterem Fahrgeräusch
und nach oben fahrender Tachonadel. Abbruch dieser Figur war die einzig
richtige Strategie, die Horst mit Stefan fast wie aus dem Lehrbuch
vollzogen hat. Natürlich konnten die Schiris für diese Figur und die
anschließende halbe Rolle nichts anders als eine Null geben, aber Horst
hat Übersicht und Handlungsfähigkeit in dieser Situation gezeigt, was
für seine weitere kunstfliegerische Entwicklung wichtig ist!
Folgerichtig hat er im zweiten Versuch
das Hauptaugenmerk auf diese Figur gelegt. Und prompt ist das Problem
auch gelöst worden, auf seinen Rückenkreis erhielt er gute Noten, er war
nicht das Problem für ein kleines waterloo, das sich hier anbahnte: Zu
wenig mentale Ressourcen sind offensichtlich für die restlichen Figuren
übrig geblieben, nach einer Rückenflugpassage ging die Orientierung
verloren, der Programmvogel tat sein fürchterliches Werk und bescherte
gleich sechs Mal die Traumnote „Nullkommanull“.
Dermaßen kalt abgeduscht war es schwer,
die Motivation wieder zu finden. Horst ist das jedoch – vielleicht auch
Dank seiner Birgit – bestens gelungen. Im letzten Flug hat er sich
vollkommen „rehabilitiert“ und zeigte eine beachtliche Leistung. Hier
ist er ebenfalls aus sich heraus gewachsen und jetzt kommt die Story mit
dem Arschbiss: Hätte er nämlich in der ersten Figur seinen primitiven
Looping auf der 30 Grad Abwärtslinie ausgeleitet, anstatt die Nase wie
sooft zuvor bis in die Horizontlage hochzuziehen, wäre er hinter Jochen
womöglich auf Rang zwei gelandet! So konnten ihm die Schiris dafür
lediglich die Null verpassen, trotzdem kassierte er gute 1.541 Punkte
für seine Vorführung. Verständlich die Sache mit der Arschbeißerei, weil
dies ein wirklicher Konzentrationsfehler ist, der zunächst nichts mit
fliegerischer Fertigkeit zu tun hat. Aber wer länger in der Szene ist
weiß, dass gerade hier die größten Gefahren lauern und jede Figur
einfach ihre Aufmerksamkeit verlangt. Bis sich eine gewisse Routine
einstellt, geht noch viel Wasser die Nagold hinunter und sind noch viele
bittere Pillen zu schlucken. Umso erfreulicher, dass sich Horst davon
nicht abbringen lässt und im nächsten Jahr erneut angreifen wird!
Nagold 3 (Pu / Jochen Wehrstein)
Etwas überrascht war Pu wohl selber über
seinen gelungenen Wettbewerbsauftakt: Mit 2.184 Punkten war er Siebter
geworden und wurde erstmals in seiner Karriere dem erlauchten Kreis der
Vollacropiloten in der Meisterklasse zugeordnet. Ob er sich tatsächlich
darüber freuen konnte oder dies eher bedauert hat, war aus seinem
Gesichtsausdruck leider nicht eindeutig abzulesen. Auch er wurde
figurentechnisch „entjungfert“, einen Innenrollenkreis steuerte er nach
ordentlicher mentalen Vorbereitung meisterhaft durch die Box um die
rechte Ecke. Was zur absoluten Spitze – das sind ungefähr 600 Punkte pro
Flug – noch fehlt, sind eigentlich peanuts: Hier ein kleiner Wackler,
dort etwas zu steil/flach oder ein paar Grade überdreht. Alles aber
Dinge, die sich erlernen lassen und erst mit mehr Training ins
Unterbewusstsein wandern.
Derart motiviert, ging es für Pu in die
zweite Runde. Auch hier steigerte sich der Schwierigkeitsgrad nochmals
erheblich, diesmal ohne Null und mit Noten generell über 5 kam Pu über
die Runden. Gleich zu Beginn ging es knackig zur Sache: Nach dem
Anwackeln eine halbe Rolle und danach musste nach spätestens einer
Sekunde abgeschwungen werden, also nichts für Warmduscher! Auf eine
Überschlagskehre folgten anderthalb Rollen in Rückenlage mit
anschließender Käseecke als Umkehrfigur. Und jetzt wurde es besonders
knifflig: Erst sollte der Flieger mit einem Außenrollenkreis auf die
Querachse gebracht werden und dann mit einem Innenrollenkreis wieder in
Rückenwindrichtung gezaubert werden. So hatte Pu das noch nie vorher
geflogen, ist aber geradezu bravourös durch diese schwierige
Figurensequenz gekommen. Er hat sich dadurch seinen Arsch und seine
Platzierung gerettet mit Noten 6,0 und 5,0, also für diese komplexen
Figuren nahezu traumhafte Notierungen!
Allerdings zahlte er dafür mit einem
anderen hohen Preis: Seinem Ansager und Co-Piloten Jochen blieb die
Herkunft nach Norbert’s Spitznahmen nicht länger verborgen. Irgendwie
geschwächt schien Pu die ganze Zeit, selbst das Schließen seines
Hosenladens nach dem Pinkeln schien ihn anzustrengen, gute Besserung!
Nach erfolgreicher Vollendung der Außenrolle – dabei ist der Pilot lange
ungewöhnlichen schiefen negativen Beschleunigungen ausgesetzt – schien
Pu beinahe am Ende seiner körperlichen Kräfte zu sein. Es entfuhr ihm
jedenfalls ein außerordentlich langgedehntes: Puuuuuuuuhhhhhhh-!
Dermaßen geschwächt konnte eigentlich
der Abschlussflug nur noch in die Hose gehen! Einerseits nahm der
Schwierigkeitsgrad erneut dramatisch zu (180 Grad Innenrollenkreis),
andererseits verließen Pu linear dazu entgegengesetzt seine körperlichen
Kräfte. Schlechte Entwicklungen für einen Wettbewerbspiloten, aber
unabwendbar in seiner Situation! So kam, was kommen musste: Gleich die
erste Figur entpuppte sich für ihn als unüberwindbares Hindernis: In 30
Grad abwärts sollte mit einer halbe Rolle in Rückenlage gerollt werden,
um dann einen negativen „Käseecken-Messerflug-Turn“ zu zelebrieren. Die
ASK wurde unter Pu’s Hintern immer schneller und schneller, er erkannte
schnell sein Problem: Schnell zunehmende Fahrt und Bahneigung bei wenig
voranschreitender Rollbewegung vertragen sich irgendwie nicht!
Folgerichtig hat er die Figur abgebrochen und sich in die Normalfluglage
„zurückgezogen“. Von dieser Erfahrung ist er auf diesem Flug nicht mehr
ganz genesen, auch die anderen Schwierigkeiten konnte er – bis auf einen
wunderschönen Turn – nicht mehr mit voller Konzentration angehen.
Ganz sicher wird er im nächsten Jahr
körperlich besser „drauf“ sein und sich das Schnaufen wie ein alter
Ochse abgewöhnen. Gepaart mit fleißigem Training und fliegerischer
Weiterbildung wird er mit Sicherheit seinen Platz in der Vollacro
verteidigen und ausbauen können.
Nagold 1 (Michael Zistler / Stefan
Zistler)
Große Freude habe ich jedes Jahr, mit
meinem Stefan diesen traditionellen Wettbewerb zu fliegen, hier liegen
meine Wurzeln im Wettbewerbskunstflug. Am meisten habe ich mich in
diesem Jahr über die vier Nagolder Mannschaften gefreut und darüber, mit
diesen Jungs zwei schöne Tage verbringen zu dürfen. In diesem Jahr hat
es für uns zum dritten Platz gereicht, auch darüber kann ich mich sehr
freuen.
Es wäre schön, wenn wir auch in Zukunft
in solcher Vereins-Mannschaftsstärke den Weg ins Badische antreten
würden. Unseren Piloten traue ich einiges zu, wir sollten die guten
Chancen durch die hervorragende Infrastruktur in Nagold nutzen. ASK 21
und SZD 59 stehen oft zur Verfügung, die Schlepps mit unserem Rattel
sind finanzierbar.
Allen Lesern dieses Aufsatzes, die noch
nicht in den Genuss unseres himmlischen Sports gekommen sind, möchte ich
bewusst Appetit machen: Entweder auf einen Mitflug mit unseren Cracks
oder darauf, selbst die Ausbildung zur Kunstflugberechtigung zu machen.
Es lohnt sich: denn erstens ist der Segelkunstflug eine faszinierende
Angelegenheit und zweitens sind Kunstflieger die besseren Liebhaber!
Michael Zistler