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Mit einer väterlichen Unsitte hat alles
angefangen: Beim abendlichen „Hausaufgaben-Check“ präsentierte mir mein Sohn
Stefan eine Skizze der Stadt Nagold mit ihrer Infrastruktur und der
geographischen Lage aller Stadtteile. „Das sollten die doch eigentlich mal live
sehen können...“ war mein erster Gedanke dazu. Dann hat Kommissar Zufall
mitgeholfen, denn sein Klassenlehrer ist ein Musikkamerad aus alten Zeiten.
Beim Elternabend war die Aktion dann auch
schnell besprochen: Erst ein wenig erdkundliche und fliegerische Theorie in der
Schule und dann auf dem Flugplatz nachgeschaut, ob das in der Praxis auch alles
haltbar ist.
Gut vorbereitet und bestens equipt mit
Laptop und Beamer stand ich dann an einem Dienstag morgen vor einer
erwartungsvollen Klasse aus 28 Schülern. Schon ein komisches Gefühl, vor
33 Jahren saß ich selber dort in einer fünften Klasse. Über die Bedeutung
des Wetters für uns Flugsportler sollte ich etwas sagen. Den Themenplan
dazu hatte ich schon vorher ausgehängt und über die Eingangsfrage, was
denn wohl ein Besoffener mit einem Wolkenflieger zu tun habe, wurde heftig
diskutiert. Wir klärten dies auf, dass beide sich in Gefahr befinden, weil
ihr Gleichgewichtssinn an das Sehen gekoppelt ist. Der eine kann deshalb
schlecht geradeaus gehen, der andere weiß bald nicht mehr, wo oben und wo
unten ist.
Wir analysierten einen Segelflugwetterbericht und zerlegten die Meldung in
die Grundelemente Temperatur, Luftdruck und Feuchtigkeit. Schnell wurde
klar, dass Luft nicht “Nichts“ ist. Das ausgebaute Wurzelmaser-Cockpit
unserer Ka-8 mit seinen vielen Schläuchen hat sich hier als
Demonstrationsobjekt für das Erklären der Instrumente bestens bewährt. Es
ist klar geworden, warum’s vom Hoch ins Tief schief gehen muss und warum
ein Pilot nicht old wird, wenn er from worm to cold fliegt. Mit einem
Haarföhn und Stefans nassen Haaren waren die Zusammenhänge zwischen
absoluter, relativer und maximaler Feuchtigkeit kein Geheimnis mehr. Warme
Luft kann halt mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kältere, ist spezifisch
leichter und will nach oben steigen. Der Wind, das himmlische Kind, macht
uns u.a. dadurch Probleme, dass er uns partout nicht da rauskommen lässt,
wo wir eigentlich hin wollten. Eine Simulation mit dem
PC-Instrument-Trainer machte dies sehr deutlich. Dass hier natürlich das
Vorhalten Abhilfe schafft wurde schnell kapiert. Weniger klar war, wie man
so einen Luvwinkel berechnet, aber hier unterscheiden sich Gymnasiasten
wohl nicht von leibhaftigen Flugschülern.
Im zweiten Teil hieß es dann „Nagold und seine Stadteile aus der Luft“.
Ich zeigte die Bilder des Luftbildrätsels mit dem Schwarzwälder Boten, an
der die Erdkundelehrerin dann großes Interesse hatte (die CD ließ ich ihr
gleich da, in Kleinigkeiten soll man großzügig sein). Es war ganz schön
schwer für die Schüler, die Dörfer zu identifizieren, aber markante
Merkmale führten dann doch zum Ziel. Einfacher war die Verkehrsstruktur zu
erkennen: Fünf Kreisverkehre, das Nagolder Wahrzeichen „Viadukt“, die
Ruine, der Badepark und natürlich den Schulgebäudekomplex mit dem
geliebten OHG.
Am Freitag Nachmittag kutschierten die Piloten des FSV Nagold e.V. 31
Schüler einmal rund um die große Kreisstadt mit dem UL und dem Rattel.
„Flugangst ist etwas für Erwachsene“ war der Kommentar einer Mutter, als
sie ihre Tochter begeistert aus dem Motorsegler aussteigen sah, selber
aber lieber am Boden bleiben wollte. Ein Quiz aus sechs Fragen musste
gelöst werden, unter anderem in welcher Himmelsrichtung das Nagoldtal
verläuft, wie viele Freibecken der Badepark hat und wie viele
Kreisverkehre es in der Kernstadt gibt. Die Siegerin erhielt einen
Segelkunstflug in unserer ASK 21 und der zweite Platz durfte prompt
nochmals mit dem UL in die Luft.
Eine schöne Aktion für Schüler, Lehrer und für die PR-Arbeit unseres
Vereins. Und dann dachte ich mir noch, was den Schülern gut gefällt kann
dem OB nicht schaden. Den Bürgermeister haben wir angerufen und ihn zu
einem Rundflug eingeladen. Er freut sich auf seine Streuobstwiesen und
will nachzählen, ob es tatsächlich 5 Kreisverkehre in seinem Städtchen
sind.
Michael Zistler
Praktische Erdkunde zu Land und aus der Luft |