Ende April 2004 Erdkunde-Unterricht im „fliegenden Klassenzimmer“
Schüler des Otto-Hahn-Gymnasiums Nagold erkunden ihre Stadt aus der Vogelperspektive und stellen fest: Pfrondorf ist tatsächlich der nördlichste Stadteil

 

Mit einer väterlichen Unsitte hat alles angefangen: Beim abendlichen „Hausaufgaben-Check“ präsentierte mir mein Sohn Stefan eine Skizze der Stadt Nagold mit ihrer Infrastruktur und der geographischen Lage aller Stadtteile. „Das sollten die doch eigentlich mal live sehen können...“ war mein erster Gedanke dazu. Dann hat Kommissar Zufall mitgeholfen, denn sein Klassenlehrer ist ein Musikkamerad aus alten Zeiten.

Beim Elternabend war die Aktion dann auch schnell besprochen: Erst ein wenig erdkundliche und fliegerische Theorie in der Schule und dann auf dem Flugplatz nachgeschaut, ob das in der Praxis auch alles haltbar ist.

 

Gut vorbereitet und bestens equipt mit Laptop und Beamer stand ich dann an einem Dienstag morgen vor einer erwartungsvollen Klasse aus 28 Schülern. Schon ein komisches Gefühl, vor 33 Jahren saß ich selber dort in einer fünften Klasse. Über die Bedeutung des Wetters für uns Flugsportler sollte ich etwas sagen. Den Themenplan dazu hatte ich schon vorher ausgehängt und über die Eingangsfrage, was denn wohl ein Besoffener mit einem Wolkenflieger zu tun habe, wurde heftig diskutiert. Wir klärten dies auf, dass beide sich in Gefahr befinden, weil ihr Gleichgewichtssinn an das Sehen gekoppelt ist. Der eine kann deshalb schlecht geradeaus gehen, der andere weiß bald nicht mehr, wo oben und wo unten ist.
 


Wir analysierten einen Segelflugwetterbericht und zerlegten die Meldung in die Grundelemente Temperatur, Luftdruck und Feuchtigkeit. Schnell wurde klar, dass Luft nicht “Nichts“ ist. Das ausgebaute Wurzelmaser-Cockpit unserer Ka-8 mit seinen vielen Schläuchen hat sich hier als Demonstrationsobjekt für das Erklären der Instrumente bestens bewährt. Es ist klar geworden, warum’s vom Hoch ins Tief schief gehen muss und warum ein Pilot nicht old wird, wenn er from worm to cold fliegt. Mit einem Haarföhn und Stefans nassen Haaren waren die Zusammenhänge zwischen absoluter, relativer und maximaler Feuchtigkeit kein Geheimnis mehr. Warme Luft kann halt mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kältere, ist spezifisch leichter und will nach oben steigen. Der Wind, das himmlische Kind, macht uns u.a. dadurch Probleme, dass er uns partout nicht da rauskommen lässt, wo wir eigentlich hin wollten. Eine Simulation mit dem PC-Instrument-Trainer machte dies sehr deutlich. Dass hier natürlich das Vorhalten Abhilfe schafft wurde schnell kapiert. Weniger klar war, wie man so einen Luvwinkel berechnet, aber hier unterscheiden sich Gymnasiasten wohl nicht von leibhaftigen Flugschülern.



Im zweiten Teil hieß es dann „Nagold und seine Stadteile aus der Luft“. Ich zeigte die Bilder des Luftbildrätsels mit dem Schwarzwälder Boten, an der die Erdkundelehrerin dann großes Interesse hatte (die CD ließ ich ihr gleich da, in Kleinigkeiten soll man großzügig sein). Es war ganz schön schwer für die Schüler, die Dörfer zu identifizieren, aber markante Merkmale führten dann doch zum Ziel. Einfacher war die Verkehrsstruktur zu erkennen: Fünf Kreisverkehre, das Nagolder Wahrzeichen „Viadukt“, die Ruine, der Badepark und natürlich den Schulgebäudekomplex mit dem geliebten OHG.

Am Freitag Nachmittag kutschierten die Piloten des FSV Nagold e.V. 31 Schüler einmal rund um die große Kreisstadt mit dem UL und dem Rattel. „Flugangst ist etwas für Erwachsene“ war der Kommentar einer Mutter, als sie ihre Tochter begeistert aus dem Motorsegler aussteigen sah, selber aber lieber am Boden bleiben wollte. Ein Quiz aus sechs Fragen musste gelöst werden, unter anderem in welcher Himmelsrichtung das Nagoldtal verläuft, wie viele Freibecken der Badepark hat und wie viele Kreisverkehre es in der Kernstadt gibt. Die Siegerin erhielt einen Segelkunstflug in unserer ASK 21 und der zweite Platz durfte prompt nochmals mit dem UL in die Luft.

Eine schöne Aktion für Schüler, Lehrer und für die PR-Arbeit unseres Vereins. Und dann dachte ich mir noch, was den Schülern gut gefällt kann dem OB nicht schaden. Den Bürgermeister haben wir angerufen und ihn zu einem Rundflug eingeladen. Er freut sich auf seine Streuobstwiesen und will nachzählen, ob es tatsächlich 5 Kreisverkehre in seinem Städtchen sind.

Michael Zistler
 

Praktische Erdkunde zu Land und aus der Luft